Her Private Hell: Neuer Film von Nicolas Winding Refn in Arbeit

Die Dreharbeiten sollen im Sommer 2025 beginnen

Von Jonas Reichel am 4 min Lesezeit

Nach fast einem Jahrzehnt Leinwand-Abstinenz meldet sich Kultregisseur Nicolas Winding Refn endlich wieder zurück – ein neuer Film mit dem Titel "Her Private Hell" befindet sich laut Deadline nämlich in Arbeit!

Der Thriller wird vom US-Verleih Neon produziert und bringt eine junge, talentierte Besetzung mit: Charles Melton, bekannt aus "Riverdale" und dem Kriegsfilm "Warfare", übernimmt eine der Hauptrollen. An seiner Seite spielt Sophie Thatcher, gefeiert für ihre Rolle in "Yellowjackets" und jüngst im Sci-Fi-Film "Companion". Auch Kristine Froseth und Havana Rose Liu sind Teil des Casts.

Obwohl über die Handlung bislang kaum Details bekannt sind, wird "Her Private Hell" laut Brancheninsidern thematisch in die düstere, kompromisslose Richtung gehen, für die Refn berühmt ist. Bekannt für stilprägende Werke wie "Drive", "Only God Forgives" und die "Pusher"-Trilogie, hatte sich Refn in den vergangenen Jahren auf Serienformate wie "Too Old To Die Young" und "Copenhagen Cowboy" konzentriert.

Der Drehbeginn ist für Sommer 2025 geplant, ein Kinostart dürfte 2026 erfolgen – ganze zehn Jahre nach Refns letztem Film "The Neon Demon". Ob sein zuvor angekündigter Spionage-Thriller "The Avenging Silence" noch realisiert wird, bleibt derzeit offen.

Nicholas Winding Refn: Der radikale Stilist des modernen Kinos

Nicholas Winding Refn, geboren am 29. September 1970 in Kopenhagen, ist einer der unkonventionellsten und visuell auffälligsten Regisseure unserer Zeit. Seine Filme sind oft keine klassischen Erzählungen, sondern audiovisuell komponierte Stimmungen – geprägt von Neonfarben, brutalistischer Gewalt und minimalistischem Dialog. Er liebt das Extreme, das Verstörende, das Meditative. Seine Werke sind cineastische Grenzerfahrungen, die stilistisch ebenso faszinieren wie inhaltlich polarisieren.

Die Anfänge: Der "Pusher"-Kult

Refns Debüt "Pusher" (1996) entstand mit einem minimalen Budget und wurde dennoch zum Kultklassiker des europäischen Gangsterfilms. Der raue, dokumentarische Stil erzählt vom Drogendealer Frank, gespielt von Kim Bodnia. Der Erfolg führte zu zwei Fortsetzungen: "Pusher II" (2004), in dem Mads Mikkelsen als Tonny brilliert, und "Pusher III" (2005), der sich um den alternden Gangster Milo dreht. Diese Trilogie gilt als Meilenstein des dänischen Kinos.

Frühe Experimente: "Bleeder" und "Fear X"

Zwischen dem ersten und zweiten "Pusher"-Teil realisierte Refn "Bleeder" (1999) – ein düsteres Beziehungsdrama mit Mads Mikkelsen, das erneut Gewalt und zwischenmenschliche Abgründe erkundet. Danach wagte er sich mit "Fear X" (2003) an ein englischsprachiges Mysterydrama mit John Turturro. Der Film floppte finanziell, was Refn beinahe ruinierte – und ihn zur Rückkehr zum "Pusher"-Franchise zwang. Doch "Fear X" gilt heute als unterschätzter psychologischer Thriller mit David-Lynch-Vibes.

Der internationale Durchbruch: "Bronson", "Valhalla Rising" und "Drive"

Mit "Bronson" (2008) gelang Refn ein Statement. Die biografisch inspirierte Geschichte über den britischen Gewalttäter Charles Bronson (grandios gespielt von Tom Hardy) ist kein klassischer Gangsterfilm, sondern eine surreale, theatralische Studie über Männlichkeit, Narzissmus und Wahnsinn.

Es folgte "Valhalla Rising" (2009) – ein fast wortloser, hypnotischer Wikingerfilm mit Mads Mikkelsen als stummer, einäugiger Krieger. Der Film ist brutal, spirituell und visuell außergewöhnlich – eine Mischung aus Arthouse und Mythologie.

Sein größter Erfolg kam mit "Drive" (2011). Der Neo-Noir-Thriller mit Ryan Gosling als schweigsamer Stuntfahrer und Fluchtwagenpilot kombinierte 80er-Synth-Soundtrack, Gewalt in Zeitlupe und makellose Ästhetik. Refn gewann in Cannes den Regiepreis. "Drive" machte ihn international bekannt und definierte seinen visuellen Stil endgültig.

Bild zu DRIVE Trailer German Deutsch (2012)

Radikalisierung des Stils: "Only God Forgives" und "The Neon Demon"

Statt sich zu wiederholen, ging Refn mit "Only God Forgives" (2013) einen noch extremeren Weg. Der Film ist ein düsteres, visuelles Gedicht über Schuld, Sühne und Oedipuskomplexe – fast vollständig getragen von Bildern und symbolhafter Gewalt. Kritiker waren gespalten: einige sprachen von "Meisterwerk", andere von "leerer Pose".

Bild zu ONLY GOD FORGIVES Trailer Deutsch German | 2013 Official Ryan Gosling [HD]

Ähnlich polarisiert auch "The Neon Demon" (2016). Der Fashion-Horrorfilm über eine junge Frau (Elle Fanning) in der oberflächlichen Modelwelt von Los Angeles ist makellos inszeniert, aber erzählerisch provokant: Schönheit wird hier zur tödlichen Waffe. Für manche ein feministisches Manifest, für andere ein misogynes Spektakel.

Bild zu THE NEON DEMON Teaser Trailer German Deutsch (2016)

Das Serienformat: "Too Old to Die Young"

2019 schuf Refn mit "Too Old to Die Young", einer 10-teiligen Amazon-Serie, sein bislang kompromisslosestes Werk. Die ultra-stilistische, ultralangsame Erzählung über Moralverfall, Korruption und spirituelle Suche im kriminellen Milieu von L.A. mit Miles Teller in der Hauptrolle überschreitet klassische Serienformate. Die Kamera verweilt minutenlang in Stille, Gewalt ist choreografiert, Dialoge sind minimal. Ein audiovisueller Drogentrip.

Rückkehr nach Europa: "Copenhagen Cowboy"

2022 kehrte Refn zurück in seine Heimat Dänemark mit der Netflix-Serie "Copenhagen Cowboy". Die Serie mischt surreale Elemente mit Kriminalgeschichten und spielt in einem düsteren, neongetränkten Kopenhagen. Hauptfigur ist Miu, eine mysteriöse Frau mit übersinnlichen Fähigkeiten. Die Serie spaltet – erneut: zwischen "kühlem Kunstwerk" und "abgehobener Stilübung".

Fazit

Nicholas Winding Refn ist kein Regisseur der Mitte. Seine Werke sind kompromisslos, seine Ästhetik ist Kult, sein Zugang zur Gewalt poetisch und provokant. Wer seine Filme liebt, verfällt ihnen – wer sie ablehnt, tut das meist leidenschaftlich. Doch genau diese extreme Reaktion zeigt: Refn hat etwas zu sagen, und er tut es auf seine ganz eigene, radikal persönliche Weise.