Fortsetzungen zu "Shin Godzilla" und "Godzilla Minus One" in Planung

Toho will in den nächsten drei Jahren rund eine Milliarde US-Dollar in seine Projekte investieren

Von Jonas Reichel am 4 min Lesezeit

Während das amerikanische MonsterVerse mit Ablegern wie "Godzilla vs. Kong" die Kinokassen eroberte, hat sich in den vergangenen zehn Jahren auch die japanische Heimat des legendären Monsters wieder eindrucksvoll zu Wort gemeldet. Mit "Shin Godzilla" und "Godzilla Minus One" entstanden zwei völlig unterschiedliche Interpretationen der ikonischen Atomechse, zu denen jetzt Fortsetzungen in Planung sind.

Laut einem Bericht von Bloomberg plant Toho, in den nächsten drei Jahren rund eine Milliarde US-Dollar zu investieren, um den Anteil seiner Überseeumsätze bis 2032 von derzeit 10 auf 30 Prozent zu steigern. Das Ziel: global Fuß fassen und die Marke Godzilla weiter stärken.

Neben einem zweiten Teil von "Godzilla Minus One" sind noch weitere Produktionen in Arbeit: ein bisher nicht näher benanntes Südostasien-Projekt und auch die zweite Staffel von "Monarch: Legacy of Monsters", der "Godzilla"-Serie von Apple TV+. Auch "Shin Godzilla 2" könnte zustande kommen, obwohl eine offizielle Bestätigung bisher noch aussteht. Regisseur Hideaki Anno ist aktuell mit einer Neuauflage der Sci-Fi-Kultreihe "Space Battleship Yamato" beschäftigt. Sein Kollege Shinji Higuchi, der bei "Shin Godzilla" die Co-Regie übernahm, könnte aber theoretisch einspringen.

Shin Godzilla & Godzilla Minus One: Zwei Gesichter derselben Legende

Die Kultfigur Godzilla ist seit ihrer Geburt 1954 ein Symbol für Angst, Zerstörung und die traumatischen Nachwirkungen der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki. In den vergangenen Jahren erlebte die japanische Riesenechse eine kreative Wiedergeburt – und das gleich in zwei völlig unterschiedlichen Interpretationen: "Shin Godzilla" (2016) von Hideaki Anno und "Godzilla Minus One" (2023) von Takashi Yamazaki. Beide Filme wurden gefeiert, doch sie könnten in Stil, Ton und Botschaft kaum unterschiedlicher sein.

Shin Godzilla: Politische Satire und experimentelles Kino

"Shin Godzilla" entstand mehr als ein Jahrzehnt nach der Fukushima-Katastrophe und greift deutlich auf die Erfahrungen der japanischen Bevölkerung mit Natur- und Nuklearunglücken zurück. Hideaki Anno, bekannt für das Anime-Meisterwerk "Neon Genesis Evangelion", inszenierte keinen typischen Monsterfilm, sondern eine gesellschaftskritische Satire.

Die Handlung ist nüchtern und realistisch: Ein unbekanntes Wesen taucht plötzlich in der Bucht von Tokio auf und wächst zu einem gigantischen Monster heran. Doch im Zentrum steht nicht Godzilla selbst, sondern das chaotische Krisenmanagement der japanischen Bürokratie. Der Film zeigt minutenlange Szenen von Regierungsmeetings, endlose Diskussionen zwischen Ministerien und ein erschreckendes Bild von Behördenversagen – eine klare Anspielung auf das zögerliche Handeln der Regierung während der Fukushima-Krise.

Optisch ist "Shin Godzilla" experimentell. Godzilla wirkt unfertig, grotesk mutierend, beinahe schon körperlich unangenehm. Die Kameraarbeit erinnert oft an Dokumentaraufnahmen, die Musik kombiniert klassische Godzilla-Motive mit düsteren neuen Kompositionen. Für viele Fans ist Shin Godzilla einer der intelligentesten und mutigsten Beiträge der Reihe, weil er das Monster wieder als Symbol für reale gesellschaftliche Ängste begreift und die Menschen – nicht die Zerstörung – in den Mittelpunkt rückt.

Der Film gewann zahlreiche Preise in Japan, darunter sieben Japanese Academy Awards, und wurde von Kritikern für seine Tiefe gefeiert. Für ein breites Mainstreampublikum war er jedoch stellenweise zu trocken und politisch, was ihn zu einem Werk machte, das vor allem in der Hardcore-Fangemeinde großen Respekt genießt.

Bild zu SHIN GODZILLA Trailer German Deutsch (2017)

Godzilla Minus One: Emotionen und Spektakel

Ganz anders "Godzilla Minus One". Takashi Yamazaki verlegte die Geschichte zurück ins Jahr 1945, direkt nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Hier begegnet das Publikum einem traumatisierten Kamikaze-Piloten, der die Chance zur Selbstaufopferung verpasst und nun als Überlebender voller Schuldgefühle in ein vom Krieg verwüstetes Land zurückkehrt. Doch der Frieden währt nur kurz, denn Godzilla taucht auf – als Verkörperung einer zweiten, noch größeren Katastrophe.

Im Gegensatz zu "Shin Godzilla" setzt "Minus One" auf große Emotionen und menschliche Dramen. Der Film zeigt die Verzweiflung der Bevölkerung, die Trauer über den verlorenen Krieg und den Mut Einzelner, die trotz aller Hoffnungslosigkeit Widerstand leisten. Zugleich liefert er spektakuläre Action-Sequenzen und imposante Zerstörungsszenen, die technisch auf höchstem Niveau umgesetzt wurden.

Yamazaki gelingt es, historische Tragik mit Popcornkino zu verbinden: Der Film ist sowohl eine Hommage an die ursprüngliche Godzilla-Message – die Angst vor atomarer Vernichtung – als auch ein emotionales Heldenepos. Kein Wunder, dass "Godzilla Minus One" weltweit ein Publikum erreichte, das weit über die eingeschworene Fangemeinde hinausging. Er gewann 2024 sogar den Oscar für die besten visuellen Effekte – ein historischer Moment für das japanische Kino.

Bild zu GODZILLA MINUS ONE Trailer 2 German Deutsch (2023) Exklusiv

Zwei Filme, zwei Philosophien

Warum wurden beide Filme so gefeiert, obwohl sie so unterschiedlich sind? Die Antwort liegt in ihrer jeweiligen Herangehensweise an die Figur Godzilla. "Shin Godzilla" spricht das politisch denkende Publikum an, das den Monsterfilm als Spiegel gesellschaftlicher Missstände versteht. Er ist intellektuell, sperrig, fast schon dokumentarisch – ein Film, der die Zuschauer zwingt, über die reale Welt nachzudenken.

"Godzilla Minus One" hingegen ist emotional zugänglicher. Er zeigt das Monster als Naturgewalt, die in einem historischen Kontext für die ultimativen Schrecken des Krieges steht. Mit klaren Heldenfiguren und einem kathartischen Finale verbindet er Drama, Action und große Gefühle – und trifft damit den Nerv eines weltweiten Publikums. Beide Werke sind jedoch typisch für ihre Macher: Anno ist ein experimenteller Auteur mit Hang zur politischen Allegorie, Yamazaki ein Geschichtenerzähler, der epische Emotionen liebt.

Eine Legende, viele Gesichter

Ob als politische Metapher oder als emotionales Spektakel – beide Filme beweisen, dass Godzilla auch nach 70 Jahren nichts von seiner Kraft verloren hat. "Shin Godzilla" und "Godzilla Minus One" zeigen die Vielseitigkeit der Marke: Das Monster kann zugleich intellektuelles Kino und massentauglicher Blockbuster sein. Und genau das macht Godzilla unsterblich.