Hollywood und der Fortsetzungswahnsinn

Gibt es denn nur noch Reboots, Remakes, Prequels und Sequels?

Von Jonas Reichel am

Egal wohin man schaut: Fortsetzungen, Remakes und Reboots dominieren den Filmmarkt. Und sollte doch einmal ein originelles Werk erfolgreich sein: Die Ankündigung eines Sequels lässt sicherlich nicht lange auf sich warten. Natürlich stellt sich vielen deshalb die große Frage: Gehen Hollywood die Ideen aus?

Bild zu Fortsetzungen bis ins Altersheim: DESHALB dreht sich Hollywood im Kreis

Eine Sache des Geldes

Der primäre Antrieb für Filmfortsetzungen – und das dürfte jetzt wenig überraschen – ist oft finanzieller Natur. Das ist aus wirtschaftlicher Sicht auch nachvollziehbar: Fortsetzungen bieten eine vergleichsweise sichere Investition, da sie auf einer bereits bestehenden Fangemeinde aufbauen können. Sobald ein Film an den Kinokassen überzeugt, besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass sich das Publikum auch einen weiteren Teil anschaut.

Vorteile von Franchises

Ein entscheidender Grund für den Erfolg von Filmfranchises liegt auch in ihrer Fähigkeit, komplexe und tiefgreifende Geschichten über mehrere Filme hinweg zu erzählen. Anstatt sich auf einen einzelnen Film zu beschränken, können Franchises die Charakterentwicklung vertiefen, Handlungen komplexer gestalten und ein reichhaltiges Universum schaffen, das die Zuschauer immer wieder ins Kino oder vor den Fernseher lockt. Marvel hat dies zum Beispiel mit dem MCU viele Jahre lang erfolgreich geschafft.

Zudem bietet sich die Möglichkeit, verschiedene Plattformen zu nutzen, um das Publikum zu erreichen. Neben Kinofilmen können Franchises auch durch TV-Serien, Comics und Videospiele erweitert werden. In der Fachsprache nennt man das "Medienkonvergenz": Ein Film steht nicht mehr allein für sich, sondern ist Teil eines großen Ganzen.

Es gibt aber auch reichlich Gründe, die gegen den Franchise-Gedanken sprechen: Kritiker bemängeln, dass sich die Filmindustrie zu stark auf bewährte Erfolgsrezepte beruft, anstatt neue und originelle Projekte zu fördern. Daher auch der altbekannte Vorwurf: "Fällt denen denn gar nichts mehr ein?"

Gibt es nur noch Fortsetzungen?

An dieser Stelle wollen wir kurz innehalten und uns die Frage stellen: Ist es denn überhaupt so, dass es mehr Fortsetzungen gibt als früher? Ein Blick auf die Liste der erfolgreichsten Filme der vergangenen Jahre scheint eine klare Sprache zu sprechen:
Im Jahr 1993 gehörten etwa 8 Filme der weltweiten Top 50 zu bereits etablierten Marken. 2003 waren es dann schon 20 Stück, 2013 dann 25 und 2023 schließlich 39 Filme, die auf den Erfolg bereits bekannter Namen aufgebaut haben – also fast 80%.
Mit dem Erfolg ist natürlich auch ein umfangreiches Marketing verbunden: Erfolgsversprechende Filme werden sehr stark beworben – überall sind die Trailer, Plakate und Auftritte der Stars zu sehen. Jeder soll mitbekommen, dass der neueste Teil des bekannten Franchises erscheint. Und viele bekommen das Gefühl: "Ich muss diesen Film sehen, wenn ich mitreden will – denn es scheint ja gerade das große Thema zu sein!"

Es gibt noch andere Filme!

Dabei werden natürlich weiterhin jedes Jahr zahlreiche Filme produziert, die nicht zu irgendeinem Franchise gehören. Das Problem ist nur: Diese bekommen kaum eine Chance. Zum einen werden sie viel weniger wahrgenommen, da sie in der Werbeflut der großen Blockbuster einfach untergehen. Zum anderen zeigen auch die Kinos lieber die Megaproduktionen in mehreren Sälen, anstatt kleinere Filme mit ins Sortiment zu nehmen.

Aber was heißt das nun? Sind die Zuschauer selbst schuld, weil sie lieber in die Franchise-Blockbuster rennen, anstatt in den kleinen Studio-Kinos Art-House-Filme zu schauen? Nicht ganz: Auch die Produktion dieser anderen Filme leidet an Hollywoods Größenwahn: Die Schere zwischen Superteuer und Superbillig wird nämlich stetig größer. Es gibt immer weniger Filme in der Mitte, die sich an originellen Geschichten versuchen und trotzdem ein Budget haben, dass die Masse der Zuschauer überzeugen kann.

Der Gedankengang dahinter scheint folgender zu sein: Entweder produziere ich 10 billige Filme und hoffe auf einen Überraschungserfolg oder ich mache einen teuren Blockbuster, der schon allein wegen der Bekanntheit sein Geld wieder einspielen wird. Gleichzeitig wollen die Produzenten die Blockbuster nicht billiger machen, weil die Erwartungshaltung der Fans an den Aufwand immer weiter gestiegen ist. Da bleibt am Ende kein Geld für originelle, mittelgroße Produktionen übrig: Ein echtes Dilemma.

Was ist eine Fortsetzung?

Wenn wir hier über "Fortsetzungen" reden, meinen wir übrigens eine Vielzahl von Varianten: Natürlich gibt es das klassische Sequel, das die Story des Vorgängers aufgreift und dann erzählt, was danach passiert. Prequels hingegen spielen zeitlich vor der bekannten Geschichte – berühmtestes Beispiel sind sicherlich "Star Wars: Episode 1 bis 3". Ein Reboot versucht in der Regel eine Reihe wieder auf Anfang zu setzen: Man tut im Grunde so, als gäbe es die bisherigen Filme nicht und erzählt neue Geschichten mit ähnlichen Figuren und Orten. Das Ganze ist nicht zu verwechseln mit einem Remake: Hierbei wird eine alte Story nochmal verfilmt – wenn auch meist mit kleinen Änderungen hier und da.

Natürlich sind diese Kategorien nicht immer strikt voneinander zu trennen: Der Fantasie sind schließlich keine Grenzen gesetzt. Aber eins haben all diese Varianten gemeinsam: Sie beziehen sich deutlich auf Filme oder Serien, die es bereits gibt. Wenn man ganz streng sein möchte, könnte man auch Buchverfilmungen oder ähnliches dazu zählen: So gesehen erzählen ja auch die "Herr der Ringe"-Filme zum Beispiel keine vollständig eigenständige Geschichte.

Fortsetzungen im Laufe der Jahrzehnte

Das Konzept von Filmreihen gibt es schon lange, auch wenn es einige Zeit brauchte, um so populär zu werden wie heute. Schon in den 50er und 60er Jahren sind die Anfänge noch heute populärer Franchises zu finden: Denkt zum Beispiel an "Godzilla" oder "James Bond". Der Startschuss für viele Blockbuster-Reihen fiel dann vor allem in den 70ern: "Star Wars", "Der Pate" oder "Rocky" – um nur einige zu nennen. Aber auch außerhalb der Vereinigten Staaten fanden Filmreihen immer mehr Anklang und gelten für viele bis heute als Kult: Sei es die dänische "Olsenbande" oder Bud Spencer und Terence Hill, die es immerhin auf 17 gemeinsame Filme bringen. Besonders auffällig war damals schon, dass die großen Reihen oftmals alle zwei Jahre einen neuen Film hervorbrachten.

Dass auch früher Quantität nicht immer mit Qualität einherging, beweisen diverse Horror-Reihen wie "Halloween" oder Komödien der Marke "Police Academy": Auf einen Überraschungserfolg folgten oftmals in schneller Folge zahlreiche Fortsetzungen, die zunehmend schlechte Kritiken erhielten, aber noch erstaunlich lange profitabel für die Studios waren – billigen Produktionskosten sei Dank.

Sind Fortsetzungen immer schlecht und einfallslos?

Der Spagat zwischen Qualität und Quantität sorgt bei Fortsetzungen oft für Diskussionsstoff. Eine häufig getroffene Aussage lautet: "Fortsetzungen sind immer unkreativer und schlechter als ihre Vorgänger". Aber woran liegt das eigentlich?
Ein wesentlicher Faktor ist die Erwartungshaltung der Zuschauer: Der erste Film einer Reihe hinterlässt häufig einen bleibenden Eindruck und setzt Maßstäbe, die schwer zu übertreffen sind. Wäre das nicht so, würden Fortsetzungen ja gar nicht erst produziert werden. Die frische und oft originelle Idee des Originals fasziniert das Publikum, während die Fortsetzung oft als Wiederholung oder Abschwächung dieser Idee wahrgenommen wird.

Ein weiterer Grund liegt in der kommerziellen Motivation hinter Fortsetzungen: Filmstudios sehen in erfolgreichen Originalwerken eine Chance, mit Fortsetzungen finanziellen Gewinn zu maximieren. Diese Ausrichtung auf den Profit kann jedoch dazu führen, dass die kreative Hingabe, die in den ersten Film investiert wurde, bei der Fortsetzung fehlt.

Wie originell darf ein Sequel sein?

Auch haben Fortsetzungen häufig das Problem, sich inhaltlich und strukturell zu wiederholen. Die Balance zu finden, sowohl Fans des Originals zufriedenzustellen als auch neue Elemente einzuführen, ist schwierig. Für Filmemacher ist das Inszenieren von Fortsetzungen daher nicht immer eine leichte Aufgabe. Vor allem nicht, wenn es sich um bereits etablierte Reihen handelt, die eine große Fanbase besitzen.

Vorteile von Fortsetzungen

Tatsächlich gibt es zahlreiche Beispiele, die beweisen, dass Fortsetzungen sowohl künstlerisch als auch kommerziell erfolgreich sein können und manchmal sogar das Original übertreffen. Ein zentraler Punkt, warum Filmfortsetzungen nicht immer schlecht sein müssen, ist die Möglichkeit zur Weiterentwicklung von Charakteren und Handlungen. Während im ersten Film oft viel Zeit darauf verwendet wird, die Welt und die Figuren einzuführen, kann eine Fortsetzung diese Grundlage nutzen, um tiefere und komplexere Geschichten zu erzählen. Ein Vorbild hierfür ist die "Der Pate"-Trilogie. "Der Pate 2" wird oft als eine der besten Fortsetzungen aller Zeiten angesehen, da sie die Geschichte der Corleone-Familie auf meisterhafte Weise weiterentwickelt und vertieft.

Neue Technik erlaubt neue Filme

Ein weiterer Aspekt ist die technische und kreative Weiterentwicklung: Technologische Fortschritte können Fortsetzungen ermöglichen, die ihre Vorgänger visuell übertreffen. Ein Paradebeispiel hierfür ist die "Terminator"-Reihe: Während der erste Film bereits als Klassiker gilt, konnte "Terminator 2: Tag der Abrechnung" dank fortschrittlicher Spezialeffekte noch einmal einen draufsetzen.

Remakes und Reboots für jede Generation

Nach der gefühlt hundertsten Fortsetzung eines Franchise kommt oftmals der große Befreiungsschlag: Das Remake oder der Reboot. Diese haben verschiedene Vorteile: Sie bieten zum Beispiel einen frischen Start für ein bewährtes Konzept um neue Zuschauer gewinnen zu können. Sie locken mit dem Versprechen: "Hey, du hast die Übersicht verloren was alles in den letzten 12 Filmen passiert ist? Oder du willst dir gar nicht erst 12 Filme anschauen müssen, um mit diesem Film Spaß haben zu können? Kein Problem: Hier ist der perfekte Einstiegspunkt!"

Somit können die Studios vor allem junge Zuschauer ins Boot holen, die dann hoffentlich für die nächsten Jahre dem Franchise treu bleiben werden. Und gerade Remakes sind attraktiv für eine neue Generation an Zuschauern, da man eine bewährte Geschichte an ihre Sehgewohnheiten anpassen kann – egal ob es um den visuellen Stil geht, aktuell beliebte Stars oder gewisse Inhalte, die für ein modernes Publikum veraltet wirken könnten.

Gleichzeitig gehen auch Kenner des Originalfilms ins Kino, um sich anzuschauen, wie sich die neue Fassung gegenüber dem alten Film schlägt. Wenig überraschend: Oft sind sie enttäuscht, weil sie natürlich mit ihrer Version aufgewachsen sind. Wie auch bei Fortsetzungen sind hier vor allem die hohen Erwartungen nur schwer zu erfüllen. Ganz davon abgesehen: Noch viel mehr als bei Fortsetzungen hat man bei Remakes und Reboots das Gefühl, immer wieder das Gleiche serviert zu bekommen und sehnt sich nach neuen Erfahrungen.

Remakes – ein altes Konzept

Übrigens ist auch das Remake-Konzept nicht besonders neu: Selbst Regie-Legende Alfred Hitchcock verfilmte seinen eigenen Film "Der Mann, der zuviel wußte" zwei Mal: 1934 in England in Schwarzweiß und 1956 in den USA und in Farbe. Und auch John Carpenters "Das Ding aus einer anderen Welt" von 1982 – für viele einer der besten Horrorfilme aller Zeiten – ist ein Remake des gleichnamigen Films von 1951 – wiederum die Verfilmung einer Kurzgeschichte. Natürlich wurde die Story auch 2011 mit einem Prequel bedacht, das quasi ein Remake darstellt – und wir gehen jede Wette ein, das bis 2040 mindestens eine weitere Verfilmung oder Serie folgen wird.

Ein Ausblick in die Zukunft

Wir halten fest: Gehen Hollywood die Ideen aus? Nein: Die Ideen sind da – lohnen sich aber unter dem Strich weniger für die Filmproduzenten als die Franchise-Produktionen. Originelle Werke müssen oft mit einem kleinen Budget auskommen und haben es schwer, von der Masse der Leute überhaupt entdeckt zu werden. Nur selten schafft es deshalb ein solcher Film zum Kassenerfolg.

Es bleibt die Frage: Wie sieht die Zukunft aus? Die einfache Antwort lautet: Solange Fortsetzungen das meiste Geld einspielen, konzentrieren sich die Studios auch weiterhin auf die Produktion solcher Filme. Am Ende zählt vor allem die Qualität: Ein Film muss nicht schlecht oder uninspiriert sein, nur weil er mit einer bekannten Marke verknüpft ist. Wichtig ist, dass sich die Macher nicht auf der Beliebtheit eines Franchise ausruhen, sondern gute Filme machen, die auf eigenen Beinen stehen können.

Und falls ihr keine Lust mehr auf die ganzen Fortsetzungen habt: Gebt auch kleinen Filmen eine Chance! Eure Entscheidungen tragen mit dazu bei, welche Filme in Zukunft produziert werden. Belohnt originelle Ideen und erzählt euren Freunden und unserer Community von spannenden Titeln, von denen noch nicht genügend Leute gehört haben!