Eine Kleinstadt im Ausnahmezustand: Unsere Kritik zu Ari Asters "Eddington"

Zwischen Pandemie, Politik und Paranoia: Asters wilder Genre-Mix

Von Konstantin Koos am 4 min Lesezeit

Eine kleine Stadt im Ausnahmezustand, ein Sheriff am Limit – und mittendrin ein Regisseur, der das Chaos seziert. Mit "Eddington" kehrt Ari Aster mit einer Star-Besetzung auf die große Leinwand zurück. Der Regisseur prägte mit "Hereditary" und "Midsommar" das letzte Jahrzehnt des Horrorfilms maßgeblich. Doch ähnlich wie bei seinem kontrovers diskutierten letzten Film "Beau is Afraid" stößt er mit "Eddington" in neue Gefilde vor. "Eddington" vereint mehre Genres in sich und polarisiert die Filmwelt. Was könnt ihr von Asters neuem Werk erwarten? Das erfahrt ihr in unserer neuen Filmkritik!

Die Handlung

Die Handlung ist 2020 mitten in der Corona-Pandemie in der Kleinstadt Eddington (New Mexico) angesiedelt. Sheriff Joe Cross (Joaquin Phoenix) gerät mehrfach mit dem charismatischen Bürgermeister Ted Garcia (Pedro Pascal) aneinander. Er entschließt sich kurzerhand bei der nächsten Bürgermeister-Wahl zu kandidieren und damit gegen Garcia anzutreten. Doch der Wahlkampf zwischen den beiden artet mit der Zeit immer weiter aus...

Bild zu EDDINGTON Trailer 2 German Deutsch (2025) Pedro Pascal, Joaquin Phoenix

Viele Genres und noch mehr Themen

Der Film zeichnet gerade am Anfang ein recht detailgetreues Bild des alltäglichen Lebens in der Covid-Zeit. "Eddington" ist dabei ein Genre-Mix aus Drama, schwarzer Komödie und Neo-Western, entwickelt sich mit der Zeit aber mehr und mehr zu einem Thriller. Anhand des Konflikts zwischen Sheriff und Bürgermeister entwickelt sich eine Art Abwärtsspirale, gerade gegen Ende dreht der Film ziemlich frei.

Die Ambition dahinter ist anscheinend die Darstellung der US-amerikanischen Gesellschaft in den Covid-Anfangsjahren. Aster porträtiert in gewisser Weise den Zustand oder auch die Psyche der Nation zur damaligen Zeit. Er wirft dabei alle Themen, die Anfang der 2020er Jahren den Diskurs bestimmten, in einen Topf. Ob Verschwörungsmythen, Corona-Maßnahmen, die Black Lives Matter-Bewegung, Social Media, Antifa oder Big Tech – alles findet seinen Weg in den Film.

Für einige Zuschauer und Kritiker ist das jedoch schlicht zu viel für einen Film – trotz knapp zweieinhalb Stunden Laufzeit. "Eddington" lief bereits im Juli in den USA in den Kinos an. Nicht nur zum offiziellen US-Start, sondern auch schon bei der Premiere auf dem Filmfestival in Cannes spaltete der Film die Gemüter. Ein Wort, das häufig im Kontext von "Eddington" fällt, ist "überambitioniert".

Und ja, hin und wieder fragt man sich tatsächlich, ob nun auch noch das x-te Thema untergebracht werden musste. Doch irgendwie gehört diese Themenvielfalt dann auch dazu, wenn man ein Gesellschaftsporträt anstrebt und von dem Zustand einer Nation erzählen will. Daher ist dieses Unterfangen unserer Meinung nach überwiegend gelungen. Die Ideen des Films sind dabei größtenteils interessant und Asters Ambition ist respektabel. Nur manche Themen wirken etwas deplatziert und "zu viel". Einige Handlungselemente kommen wie aus dem Nichts – Stichwort: Antifa.

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Das Figurenensemble

Wichtig ist "Eddington" auch seine Hauptfigur Joe Cross. Dabei sticht vor allem seine Charakterentwicklung heraus, die durch die Umstände der damaligen Zeit bedingt wird. Das ist durchaus spannend, packend und in gewisser Weise faszinierend. Doch erwähnt werden sollte auch: Eine emotionale Beziehung zu Joe wird kaum aufgebaut. Eine Identifikation mit dem Protagonisten ist in Teilen des Films schwer möglich. Das ist aber vielleicht auch nicht das Ziel des Films.

Das gilt auch generell für das Figuren-Ensemble: So ambitioniert und spannend diese Ideen Asters sind, wirkliche Empathie mit seinen Figuren konnte er für uns nicht erzeugen. Vielmehr schaut man "Eddington" aus einer Distanz heraus. In den besten Sequenzen des Films kann man dabei eine gewisse Faszination für den Protagonisten entwickeln. Dazu trägt mit Sicherheit auch die hochkarätige Besetzung bei, zu der auch Hollywood-Stars wie Emma Stone oder Austin Butler gehören. Doch ebenso gibt es Momente, wo man als Zuschauer aufgrund dieser Distanz das Geschehen eher gleichgültig betrachtet.

Ein großes Thema des Films und im Figurengefüge ist dabei Kommunikation – sowohl via Social Media als auch im klassischen Sinne von Gesicht zu Gesicht. Gerade die Kommunikation über die Soziale Medien war in der Corona-Phase omnipräsent. Und wenn man bei "Eddington" von Kommunikation spricht, ist vor allem das Unvermögen dazu gemeint. Joes Unfähigkeit auf einem persönlichen Weg zu kommunizieren, ist die Ursache vieler seiner Probleme. In persönlichen Gesprächen mit seiner Frau oder dem Bürgermeister hält sich Joe zurück. Wesentlich offensiver präsentiert sich der Polizeichef stattdessen in den Sozialen Medien.

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Ein besonderer Film

Stärken des Films lassen sich vor allem auch in der Inszenierung finden. Zum einen kann "Eddington" visuell überzeugen. Der Film liefert beeindruckende Bilder, bei denen die Western-Einflüsse sichtbar werden. Zum anderen zeigt Aster gerade gegen Ende sein Talent zur Inszenierung von intensiven und spannenden Szenen.

Was man Aster außerdem in jedem Fall zugutehalten muss: Er sträubt sich vor Konventionen, lässt Interpretationsspielraum und erzählt die Geschichten, die er erzählen möchte. Ob das Durchbrechen von Genre-Konventionen oder die durchaus kontroversen Themen – Aster verstellt sich nicht, um seine Geschichten allen Recht zu machen.

Er bleibt damit ein interessanter Filmemacher, auf dessen zukünftige Filme man gespannt sein kann. Welches Projekt bei ihm als nächstes ansteht, ist zum jetzigen Zeitpunkt noch unklar. Möglicherweise erwartet uns sogar "Eddington 2" – der Regisseur arbeitet aktuell tatsächlich an einer Fortsetzung. Unserer Meinung nach darf sich Aster allerdings gerne wieder etwas Neuem widmen – und weiterhin Risiken bei der Wahl seiner Geschichten und Filme eingehen.

Unser Urteil

"Eddington" ist ein Genre-Mix mit großen Ambitionen und einer Vielzahl an Themen und Ideen. Ari Aster gelingt ein stark inszeniertes Gesellschaftsportrait mit einem eigenwilligen Protagonisten. Die Figuren beobachtet man dabei mit einer gewissen Faszination, allerdings auch distanziert. Doch nicht alles wirkt aus einem Guss, manchmal wirkt der Film überladen. Dennoch wollen wir eine Empfehlung aussprechen – denn "Eddington" ist ein durch und durch besonderer Film, der sich vom klassischen Mainstream abhebt. Doch überzeugt euch selbst: Ab dem 20. November 2025 ist der Film in den Kinos zu sehen.

Unser Fazit: "Eddington" ist ein ungewöhnliches Gesellschaftsportrait mit interessanter Hauptfigur – aber manchmal einfach zu viel.